Partnerschaften mit der Wirtschaft als Hoffnungsträger für die Vereinten Nationen?

Partnerschaften mit der Wirtschaft als Hoffnungsträger für die Vereinten Nationen?

 

Vortrag von Jens Martens, Geschäftsführer des Global Policy Forum (New York) und des Global Policy Forum Europe (Bonn)

 

Seit zwei Jahrzehnten hat die Zusammenarbeit der Vereinten Nationen mit der Wirtschaft stark zugenommen. Namhafte Unternehmen arbeiten weltweit in konkreten Projekten mit der Weltorganisation zusammen. Doch können beide Seiten daraus nur Vorteile ziehen? Gibt es auch mögliche Risiken solcher Kooperationen?

Der Referent Jens Martens ist seit 2004 Geschäftsführer des Global Policy Forum Europe (Bonn) und seit 2014 Geschäftsführer des Global Policy Forums (New York), die sich kritisch mit der Arbeit der VN beschäftigen. Seit 2011 fungiert der Diplom-Volkswirt als Koordinator der globalen Civil Society Reflection Group on the 2030 Agenda for Sustainable Development und engagiert sich beim weltweiten Netzwerk Social Watch zu Fragen der Armutsbekämpfung und sozialen Gerechtigkeit. Martens veröffentlichte mehr als 100 Aufsätze und Studien zu Fragen des Multilateralismus, der VN-Reform und der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik.

Die VN betreiben Kooperationen mit der Wirtschaft und auch mit wohltätigen Stiftungen, um zwei Ziele zu erreichen: die Mobilisierung von Finanzmitteln und ein verstärktes Einwirken in ausgewählten inhaltlichen Bereichen. Für die Wirtschaft bringen Kooperationen mit den VN einen unschätzbaren Image- und Reputationsgewinn. Der 1999 vereinbarte „United Nations Global Compact“ stellt zehn Grundprinzipien der Zusammenarbeit auf, wie die Respektierung der Menschenrechte, die Ablehnung von Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Diskriminierung oder die Bekämpfung von Umweltgefährdungen. Doch kommt auch Kritik auf: Die Prinzipien würden nicht hinreichend durchgesetzt und manche Kooperationen überproportional den Wirtschaftsunternehmen nutzen. Die Regeln für Kooperationen müssten daher enger gefasst und effizient durchgesetzt werden.

Jens Martens stellte in seinem Vortrag einleitend das Auf und Ab von Wirtschaftskooperationen vor. In den 1970er Jahren habe die ablehnende Haltung der Länder des Südens, die nun die Mehrheit in der VN-Generalversammlung hatten, zu einem starken Rückgang solcher Kooperationen geführt. Doch habe sich dieser Trend seit den 1990er Jahren umgekehrt. Signalwirkung habe die neu ins Leben gerufene „UN Foundation“ des milliardenschweren US-Medienunternehmers Ted Turner gehabt, der hierfür 1 Milliarde USD gespendet habe.

Anhand konkreter Beispiele zeigte Martens die Chancen und Risiken einer Kooperation zwischen den VN und der Wirtschaft auf und zeigt Zukunftsperspektiven auf. So bestehe natürlich die Gefahr, dass Unternehmen mit dem VN-Logo ein „Bluewashing“ betrieben. Die 8000 Mitgliedsfirmen des „Global Compact“ hätten vergleichsweise geringe Verpflichtungen. Auch wenn bestimmte Projekte positive Folgen hätten, bestehe doch die Gefahr, dass Kooperationsunternehmen anderweitig Nachhaltigkeitsprinzipien missachteten. So unterstütze Coca Cola unter dem Motto „Every drop matters“ Wasserprojekte in asiatischen Ländern, während andernorts Kritik erhoben werde, dass der Konzern durch seine Produktion der Bevölkerung Wasser in großem Umfang entziehe.

Auch die Zusammenarbeit mit wohltätigen Stiftungen sei nicht grundsätzlich unproblematisch. Auch diese hätten ihre spezifische Agenda, die sie durchzusetzen suchten. Zum Problem könnten beispielsweise US-Stiftungen werden, die finanzielle Unterstützungsleistungen mit der Durchsetzung konservativ-christlicher Moralbegriffe verbinden würden.

Als erfreulich bezeichnete es Martens, dass bereits ein großer Teil der großen globalen Unternehmen die „Nachhaltigen Entwicklungsziele“ der VN als Referenzrahmen anerkannt habe. Die Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen sei pragmatisch, unbürokratisch und effizient. China komme auch auf diesem Feld zunehmend ins Spiel, so hätten viele chinesische Firmen den Global Compact unterzeichnet. Angesichts der massiven Verringerung der US-Unterstützung von VN-Organisationen, wie z.B. im Fall der UNESCO, bleibe gar nichts anders übrig, als nach anderen Finanzierungsquellen zu suchen.

Doch dürfe der Blick vor den Risiken nicht verschlossen werden. Demokratische Entscheidungsprozesse könnten unterminiert werden – so habe Bill und Melinda Gates mit ihrer bekannten Stiftung als inzwischen zweitgrößter Geldgeber der Weltgesundheitsorganisation immensen Einfluss in der WHO. Durch einen Schwarm neuer Beziehungen außerhalb der VN-Struktur könne es zu einer unerwünschten Fragmentierung der Weltorganisation kommen. Auch könnten problematische Kooperationen die Glaubwürdigkeit der VN als neutraler „broker“ gefährden. Rechenschaftslegung und Herstellung von Transparenz hätten daher oberste Priorität.      

Die von dem Wirtschaftsjournalisten des Bayerischen Rundfunks Wolfram Schrag moderierte Diskussion wurde durch die kritischen Beiträge eines Lobbyisten der Tabakindustrie belebt. Einig waren sich Publikum und Referent, dass mit Unterstützung von Regierung und Zivilgesellschaft an differenzierten Regeln und Safeguards gearbeitet werden müsse, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden (so z.B. Großunternehmen versus klein- und mittelständische Unternehmen).