Sudan-Konferenz 2011

Konferenz-Bericht: Ein neuer Staat in Afrika –Neue Hoffnungen und alte Sorgen

von Tassilo Schmid

Die Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Landesverband Bayern e.V., veranstaltete am 15. Juli 2011 in Kooperation mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) anlässlich der Gründung der Republik Südsudan eine „Sudan-Konferenz“ im Münchener Völkerkundemuseum.

Julia Kronberg (Beraterin zu Sudan beim BMZ), Foto: DGVN Bayern

Die von 75 Teilnehmern besuchte Konferenz gliederte sich in die beiden Themenblöcke Politik und Wirtschaft/Entwicklung. Nach einer Begrüßung durch die Vorsitzende der DGVN-Bayern, Frau Ulrike Renner-Helfmann, und Frau Julia Kronberg, Beauftragte zu Sudan im BMZ, erfolgte eine thematische Einführung in das Konferenzthema durch den stellvertretenden Vorsitzenden der DGVN-Bayern, Dr. Martin Pabst. Wie 1956 als Vorreiter der Entkolonialisierung Subsahara-Afrikas, habe der Sudan 2011 erneut Geschichte geschrieben: Erstmals sei mit dem Südsudan ein neuer Staat auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechtes der Völker entstanden, unter Aufgabe des Prinzips der Unveränderlichkeit der ehemaligen Kolonialgrenzen. Doch seien die Zukunftsaussichten problematisch: Nördlich der Grenze, aber auch im Südsudan würde wieder heftig gekämpft – mit seit Jahresende insgesamt Tausenden getöteten Zivilisten und über 300.000 Vertriebenen.

Panel Politik: v.l.n.r. Vizebotschafter Nickson Deng Peter, Brigadegeneral a.D. Klaus Coenen, Dr. Martin Pabst (DGVN Bayern), Peter Schumann, Prof. Dr. Fouad Ibrahim, Foto: DGVN Bayern

Den Themenblock Politik eröffnete eine Key Note Speech von Peter Schumann, Dozent an der Universität Konstanz und ehemaliger ziviler Koordinator für den Südsudan der United Nations Mission in Sudan (UNMIS). In sehr ernsten und deutlichen Worten schilderte er die blutige Entstehungsgeschichte und schwierige politische Ausgangslage des eine Woche alten Staates Südsudan, dessen Abspaltung durch das Friedensabkommen von 2005 eigentlich verhindert werden sollte. Doch diese Lösung starb zusammen mit John Garang, dem Gründer und Führer der SPLM und Verfechter dieses „Neuen Sudan“, kurz nach dem Friedensschluss.

Peter Schumann, ehem. ziviler UNMIS-Koordinator im Südsudan, Foto: DGVN Bayern

Eindrücklich schilderte Herr Schumann, wie das Regime in Karthum sich mit der internationalen Gemeinschaft arrangierte, um seine eigenen Interessen und Ziele zu erreichen. Er schilderte aber auch die Schwierigkeiten und Defizite von UNMIS, welche er insbesondere auf komplizierte und unsachgemäße Einsatzrichtlinien und Kommandostrukturen von Blauhelmmissionen zurückführte. Eine Fortsetzung solcher Probleme drohe auch in den Nachfolgemissionen. Er äußerte sich daher sehr skeptisch, ob die neuen UNO-Friedensmissionen im Südsudan und Abyei ihre enormen Aufgaben erfüllen können.

Die Paneldiskussion leitete S.E. Nickson Deng Peter ein, der stellvertretende Botschafter der Republik Südsudan bei der Europäischen Union in Brüssel. In seinem Statement schilderte er die breite ausländische Unterstützung, welche sein Land vor der Gründung erfahren habe und noch erfahre, und verwies ebenfalls auf die nicht einfache Situation des Südsudans, teilte aber nicht den skeptischen Ausblick seines Vorredners, sondern verwies vielmehr auf das Potential des Landes und seiner Einwohner und auf die vielfältigen Kooperationsmöglichkeiten mit den Nachbarn (z.B. Kenia, Uganda, aber auch die Republik Sudan). Deren ebenfalls eingeladener Vertreter in Berlin, S.E. Dr. Baha’aldin Hanafi, musste wegen einer kurzfristigen Verhinderung leider seine Teilnahme absagen. Der Afrika-Experte und Sudan-Kenner Brigadegeneral a.D. Klaus Coenen sprach zwar auch von positiven Nachrichten aus dem Südsudan, kam jedoch nicht umhin, angesichts der enormen Herausforderungen, insbesondere mit Blick auf die inneren Konflikte des stark unterentwickelten Landes, von der Republik Südsudan als möglicher Vorstufe eines Failed State zu sprechen. Dieser Qualifizierung trat Prof. em. Fouad Ibrahim (Universität Bayreuth) energisch entgegen. Vielmehr nutzte er sein Statement dazu, neue positive Aspekte in die Diskussion einzuführen, die Chancen der neuen Republik –insbesondere im Handel mit seinen Nachbarn – hervorzuheben und so den optimistischen Ausblick zu unterstützen. In der anschließenden Diskussion wurden, auch unter Einbeziehung des Publikums weitere Themen wie die Zukunft des Erdölmanagements, die Situation in anderen Konfliktgebieten des Sudans (Darfur, Abyei, Süd-Kordofan, Ostsudan), die Möglichkeit einer militärischen Konfrontation zwischen dem Norden und dem Süden sowie die weiterhin bestehenden Konflikte innerhalb der neuen Republik Südsudan diskutiert.

Vizebotschafter Nickson Deng Peter und Brigadegeneral a.D. Klaus Coenen, Foto: DGVN Bayern

Der Themenkomplex Wirtschaft und Entwicklung wurde mit einer Key Note Speech von Maja Bott eingeleitet, die bis April 2011 als Economic Advisor von UNDP in Khartum arbeitete. Sie veranschaulichte anhand von vielen Daten und Statistiken die große Abhängigkeit der Wirtschaft vom Erdöl, wodurch nicht nur andere Wirtschaftszweige verdrängt würden, was aber auch zu einem sehr hohen Anteil des Staates an der Gesamtwirtschaft führe. Ferner wurde die Lage der Landwirtschaft geschildert, welche vor allem aus subsistenzwirtschaftlichen Betrieben bestehe und damit weit hinter ihrem Potential als zweites Standbein der Sudanesischen Wirtschaft zurück bleibe. Neue Projekte, insbesondere im Bereich des fairen Handels führten hier zwar mittlerweile zu sehr positiven Resultaten, blieben momentan jedoch regional begrenzt, da es u.a. an Marktzugang, Training, Krediten, Kommunikation und funktionierenden Wertschöpfungsketten fehle. Ebenfalls wurde der eklatante Entwicklungsunterschied zwischen Khartum und dem Niltal einerseits und dem übrigen Sudan andererseits angesprochen, der sich besonders in der Infrastruktur niederschlage.  

Dr. Christian Ruck (MdB) und Maja Bott (langjährige Economic Advisor bei UNDP Khartoum), Foto: DGVN Bayern

Der Augsburger Bundestagsabgeordnete Dr. Christian Ruck und Vorsitzende der Arbeitsgruppe Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der CDU/CSU sprach sich vor allem dafür aus, die Bevölkerung mittels arbeitsintensiver Projekte in der Landwirtschaft zu beschäftigen, um diesen Wirtschaftszweig auszubauen und zum zweiten Standbein der südsudanesischen Wirtschaft zu machen. Anschließend berichtete Heinz Davidsohn, Beauftragter für die Partnerschaft Niedersachen-Sudan in der Staatskanzlei des Landes Niedersachsen über die wenig bekannte, aber sehr facettenreiche Geschichte und Gegenwart der Partnerschaft und den daraus abgeleiteten Erfahrungen. Julia Kronberg stellte die Aktivitäten des BMZ wie auch der EU dar, die sich aufgrund der politischen Belastungen in der Republik Sudan auf den Südsudan konzentrieren. Ebenso wie Maja Bott wies sie auf die akute Notwendigkeit hin, die ausländische Hilfe besser zu koordinieren und zu strukturieren, eine Notwendigkeit, welche sie anhand konkreter Beispiele schilderte. In der anschließenden Diskussion wurden zum einen die strukturellen und gesellschaftlichen Besonderheiten vor Ort herausgearbeitet und erörtert, welche Entwicklungsprojekte vor besondere Herausforderungen stellen. Zum anderen wurden die Möglichkeiten und Schwerpunkte des deutschen und europäischen Engagements debattiert. Dabei wurde insbesondere auch auf die zwiespältige Rolle eingegangen, welche ungebundene Budgethilfen in der Entwicklungszusammenarbeit einnehmen.

Abschließend fasste der Tagungsleiter Dr. Martin Pabst die Beiträge der Konferenz in ihrer Ambivalenz zusammen und griff den Appell von Julia Kronberg auf, das Thema auch dann weiter zu beobachten, wenn es aus den Schlagzeilen verschwunden sei.