Die Vereinten Nationen in der Krise des Multilateralismus. Eine realistische Analyse ihrer Möglichkeiten gestern und heute

Vortrag von Brigadegeneral a. D. Helmut W. Ganser

Kooperationsveranstaltung mit dem Institut für Öffentliches Recht und Völkerrecht, Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften, Universität der Bundeswehr München (Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan)

Termin: Montag, 28. Januar 2019, 19.00 h

Ort: Internationales Begegnungszentrum der Wissenschaft (IBZ), Amalienstr. 38, 80799 München (U-Bhf. Universität, Linien U3/U6)

 

Der Referent Brigadegeneral a.D. Helmut W. Ganser hat 1995-1996 als militärpolitischer Berater des deutschen ständigen Vertreters bei den VN an zahlreichen Sitzungen des Sicherheitsrats teilgenommen. Er lehrt an verschiedenen Institutionen u.a. zu VN-Themen, insbesondere zur Arbeit des Sicherheitsrates. Sein um viele persönliche Erfahrungen bereicherter Vortrag analysierte die Möglichkeiten der Vereinten Nationen, bei der Lösung der drängenden Weltprobleme eine tragende Rolle zu spielen.

Ganser führte einleitend aus, dass Deutschland seit dem 1. Januar 2019 nichtständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat sei. Die Bundesregierung werde damit unmittelbarer mit globalen Machtfragen konfrontiert sein und sich bei schwierigen Abstimmungen zwischen Bündnissolidarität und eigenen normativen Vorstellungen entscheiden müssen. Denn die Kontroversen zwischen den drei Großmächten im Sicherheitsrat nähmen zu, der Ton werde rauer, der politische diplomatische Interessenausgleich werde durch stärkere Nationalismen erschwert.

Die VN würden in der anhaltende Krise des politisch-diplomatischen Multilateralismus an Gewicht verlieren und damit ihre entscheidende Ausgleichsfunktion zwischen den Industrienationen und der großen Mehrheit der Länder des globalen Südens einbüßen. Ihre Handlungsfähigkeit im Bereich von Frieden und Sicherheit würde abnehmen, mit einigen Peacekeeping-Operationen seien die VN bereits überfordert. Bilaterale Verhandlungsformate und Foren wie die G 7/8 und G 20 versuchten außerhalb der VN globale Fragen anzugehen.

Dieser Entwicklung stehe der dringende globale, multilaterale Handlungsbedarf im Rahmen der Weltorganisation entgegen, vor allem im Hinblick auf die Folgen der Globalisierung, des Bevölkerungswachstums, der Klimaveränderungen, der Kriege und Konflikte, sowie von Flucht und Migration.

Brigadegeneral a.D. Ganser betonte abschließend, dass eine Stärkung der VN im deutschen und europäischen Interesse liege. Es sei deshalb zu fragen, ob es „Wege in der Gefahr“ gebe, auf denen die Vereinten Nationen zur Abmilderung der sich auftürmenden globalen Probleme beitragen könnten.

Sein Fazit lautete: „Komplexe globale Probleme können nur multilateral  gelöst werden.“ Er stellte die Initiierung einer Sammlungsbewegung für den multilateralen Ansatz zur Diskussion, d.h. eine „Allianz der Multilateralisten“ in den VN. Auch könne der geopolitsche Nexus zwischen USA, EU, China und Russland als möglicher Handlungsrahmen dienen.

Brigadegeneral a.D. Helmut W. Ganser (links) und Professor Dr. Daniel-Erasmus Khan. Foto: G. Theil

Handlungsfelder für einen realistischen Multilateralismus seien der Sicherheitsrat, wo ggf. eine Einhegung der Supermächte geleistet werden könne, oder der Internationale Klimarat (IPCC), der eine Allianz für den Klimaschutz anstoßen könne. Als zentrale Aufgabe für die Zukunft formulierte Ganser auch die Neuaufstellung einer fordernd-fördernden Entwicklungspolitik und Außenwirtschaftspolitik. Dabei müssten Schwerpunkte die Eindämmung der Bevölkerungsexplosion insbesondere in Subsahara-Afrika, die energische Korruptionsbekämpfung sowie faire Marktzugänge für die Länder des Südens sein.

Die klar akzentuierten Analysen und Forderungen von Brigadegeneral a.D. Ganser lösten eine lebhafte Aussprache aus, die von Prof. Dr. Daniel-Erasmus Khan moderiert wurde. Dabei wurden auch die Möglichkeiten und Grenzen des Völkerrechts kritisch diskutiert.

(Bildnachweis: UN Photo/Ryan Brown)