Die Krise in Darfur – wie weiter mit Peacekeeping?

mit Peter Schumann, Stellv. Sonderbeauftragter der AU-UN Mission in Darfur

Donnerstag, 12. April 2018, 18.00 Uhr

Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft, Raum L155, Oettingenstr. 67, München

In einer von Dr. Steffen Eckard moderierten Kooperationsveranstaltung mit dem Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und der Hochschulgruppe München des Bundesverbands Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) referierte unser Mitglied und langjähriger VN-Mitarbeiter Peter Schumann.

Als Deputy Joint Special Representative der AU-UN Mission UNAMID in Darfur/Sudan erkundete er von Dezember 2017 bis Februar 2018 vor Ort Möglichkeiten für eine Neuausrichtung dieser Mission. Seit ihrer Entsendung 2007 habe die UNAMID an die 15 Mrd. USD gekostet und beschäftigte 2016/17 etwa  25.000 Angehörige, darunter an die 16.000 Soldaten und 3400 Polizisten, ohne dass in den letzten Jahren hinreichender Fortschritt erkennbar gewesen sei.

Peter Schumann war als Deputy Joint Special Representative der AU-UN Mission UNAMID in Darfur

Schumann erläuterte zunächst die komplexen Hintergründe des Darfur-Konflikts, die nicht mit der simplifizierten Behauptung „Afrikanische Stämme werden von  arabi-schen Milizen getötet“ erklärt werden könnten. Leider präge diese vereinfachte Optik, die seit insbesondere 2004 von der „Save Darfur Campaign“ propagiert werde, immer noch das Handeln der UNAMID , die sich durch die Rolle der AU zu einem großen Teil aus afrikanischen Staaten rekrutierten.

Komplexe Konflikturaschen

Drei Ereignisse spielten eine wesentliche Rolle in der Entstehung des Konfliktes in Darfur. Seit der verheerenden Dürre und Hungerskatastrophe Mitte der 1980er Jahre in der Sahelzone habe es grundlegende ökologische Veränderungen gegeben, die dazu geführt hätten, dass Nomaden aus dem Norden früher in den Süden zur Weide gezogen und damit in Konflikt mit sesshaften Bauern gekommen seien. Auch jetzt seien seit 2015 vor allem in dem Gebiet östlich des Jebel Marra wieder Ernten weitgehend ausgefallen. Bei einer vierten ausbleibenden Ernte spreche man von einer Hungersnot.

Als zweiter Faktor nannte er dem ungehinderten Zugang zu automatischen Kleinwaffen nach dem Ende des Kalten Kriegs. Dadurch würden Konflikte mit zunehmender Brutalität und immer größeren Opferzahlen ausgefochten. Das traditionelle System von Kompensation werde dadurch aus den Angeln gehoben.

Drittens habe Mitte der 1990er Jahre insbesondere der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi eine auf den Sahelraum projizierte Arabisierungsideologie verbreitet. Dadurch sei in Darfur die politische Grundlage für bewaffnete Reitermilizen gelegt worden, die 2003 eine wesentliche Rolle in der Counter Insurgency Strategy der Regierung gegen bewaffnete Rebellen gespielt hätten. Der Konflikt sei 2003 nicht „ausgebrochen“,  sondern habe sich militärisch dadurch massiv verschärft. Der VN-Sicherheitsrat habe kaum hinreichende Versuche unternommen, die Mission auf der Grundlage der Konfliktursachen zu mandatieren, sondern habe eine Operation vorwiegend zum Schutz der Zivilbevölkerung geschaffen. Damit gäbe es keine politische Strategie als Grundlage der Mission.

Günstige Ausgangslage für eine neue Initiative

Schumanns Untersuchungen vor Ort bestätigten, dass in Darfur seit 2016 keine Kämpfe zwischen bewaffneten Rebellen und Regierungstruppen stattgefunden hätten und vor allem kaum mehr Bewaffnete der Rebellengruppen vor Ort aktiv seien. Das Doha-Friedensabkommen (2011) sei durch diverse lokale Friedens-schlüsse umgesetzt worden. Mit zwei von drei nach wie vor außerhalb des Friendesprozesses stehenden Milizenführern werde - z.B. veranlasst durch die Bundesregierung seit Jahren in Berlin - verhandelt, obwohl sie im Rahmen des Darfurkonflikts inzwischen politisch bedeutungslos geworden seien.

Auf Grund dieser und anderer positiver Veränderungen könne die Präsenz der UNAMID drastisch verringert werden. Dies betreffe die nach wie vor sehr hohe Zahl von Blauhelmen, aber auch Polizei und ziviles Personal. UNAMID könne das Operationsgebiet drastisch reduzieren und auf die Region um den Jebel Marra reduzieren.

Peacekeeping ohne Blauhelme?

Neue Initiativen müssten entwickelt werden, so die Unterstützung lokaler Friedens-bestrebungen, auch durch die UNAMID. Zentral sei, dass endlich die 2003 einge-stellten Entwicklungsprogramme wieder aufgenommen würden. Fehlende Ent-wicklung sei zum bedrohlichsten Konflikttreiber geworden.

Schumann schlug eine erweiterte  Variante der Friedensunterstützung unter dem Schlagwort „Peacekeeping auch nach dem Abzug von Blauhelmen“ vor, durchgeführt und finanziert unter den Regeln und der Finanzierung von Peacekeeping. Zur Überbrückung des Zeitraums bis zu einer eventuellen Geberkonferenz, deren Gelder frühestens 2020 zur Verfügung stehen würden, sollten Peacekeeping-Mittel für Entwicklungsprojekte durch einen Beschluss des UN Sicherheitsrates zur Verfügung gestellt werden.

Der Referent verwies darauf, dass die vorgeschlagene Reduzierung der Blauhelme von über 10.000 auf etwa 5000 plus und eine entsprechende Reduzierung von Polizei und Zivilisten eine jährliche Einsparung von etwa 400 Mio. USD ergeben würden – im Gegenzug könnten bereits Programme zum Aufbau und Entwicklung in Höhe von 40 Mio. USD wesentliche Stabilität und damit Frieden bringen.

Doch äußerte sich Schumann skeptisch über die Erfolgsaussichten eines solchen praxis- und bedürfnisorientierten Vorschlags: Denn UN-Mitgliedsländer inklusive Deutschland neigten aus grundsätzlichen Erwägungen zur Wahrung des Status Quo bei der Peacekeeping-Finanzierung, auch wenn dies im konkreten Anwendungsfall nicht sinnvoll sei.