"The UN is a stage, not an actor" - Studienreise 2013 nach New York
Die Studienreise des DGVN-Landesverbandes Bayern der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (Leitung Dr. M. Pabst) führte im Jahr 2013 an den Sitz der Weltorganisation nach New York. Erstmals fand sie in Kooperation mit dem DGVN-Landesverband Nordrhein-Westfalen (Leitung Dr. M. L. Fremuth) statt. 16 Teilnehmer aus beiden Landesverbänden und weitere Interessierte reisten vom 2.-6. September an die UN Plaza.
Der Zeitraum hätte spannender nicht gewählt sein können, fiel darin doch die kontrovers geführte Diskussion um den von den USA beabsichtigten Vergeltungsschlag gegen die syrischen Regierungstruppen wegen unterstellten Chemiewaffeneinsatzes. Hierfür war freilich kein Mandat im Sicherheitsrat absehbar. Bei den Diskussionen mit Gesprächspartnern in der deutschen und US-amerikanischen Botschaft bei den VN, dem VN-Sekretariat und der EU-Vertretung bei den VN konnten die Teilnehmer hierzu aktuelle Hintergrundinformationen erfahren. Sah es zum Beginn der Reise noch so aus, als ob der Militärschlag trotz des Fernbleibens Großbritanniens beschlossene Sache sei, so bröckelte im Lauf der Woche zunehmend die innenpolitische Unterstützung für US-Präsident Barack Obama und zum Beginn der nächsten Woche zeichnete sich bereits eine diplomatische Kompromisslösung unter Annäherung von USA und Russland ab.
Das Programm begann am 2. September mit einer grundlegenden Einführung in das VN-System durch die beiden Leiter der Studienreise und ein anschließendes "Warming Up" in Manhattan. Am Morgen des 3. September schloss sich ein Empfang beim Ständigen Vertreter Deutschland bei den VN an. Botschafter Dr. Peter Wittig skizzierte die Schwerpunkte des deutschen Engagements isb. während des deutschen Sitzes im VN-Sicherheitsrat (2011/12) und Menschenrechtsrat (2006-09, 2013-15). Hierzu zählen Krisenprävention und Sanktionen, Klima und Sicherheit sowie der Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten, wozu Deutschland auch eine Resolution einbrachte. Dr. Wittig erläuterte das multilaterale Vorgehen Deutschlands in den VN, das bestrebt ist, bei identifizierten Anliegen gleichgesinnte Partner zu suchen. In puncto Syrien betonte er den deutschen Beitrag bei der Einigung der Opposition sowie das Engagement zugunsten von humanitärer und Wiederaufbauhilfe, die schon jetzt von der Opposition abrufbar sei.
Beim Verband deutscher Bediensteter bei internationalen Organisationen (VDBIO) erfuhren die Teilnehmer Voraussetzungen und Möglichkeiten für eine berufliche Karriere in New York. Als Arbeitsbeispiel wurde der Global Compact vorgestellt, d. h. die von VN-Generalsekretär Kofi Annan im Jahr 2000 initiierte Partnerschaft zwischen VN und privaten Unternehmen mit dem Ziel, die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten. Bereits 7.000 Firmen haben sich verpflichtet, und die zehn globalen Prinzipien für einen "Code of Conduct" finden zunehmende Verbreitung. Am Nachmittag wurde die Gruppe vom deutschen Chief Police Adviser des VN-Generalsekretärs Stefan Feller, empfangen. Er referierte über den immer wichtiger werdenden Komplex der VN-Polizeiarbeit in multidimensionalen VN-Friedensmissionen, der vorwiegend Beratung und Ausbildung, aber in diversen Missionen auch den Einsatz von Hundertschaften vor allem zum Schutz von Zivilisten umfasse. Feller erlebte den Aufbau der VN-Polizeiarbeit persönlich vom einfachen VN-Polizisten bis hin zum Amt des Obersten Poizeiberaters mit. An praktischen Beispielen erläuterte er, wie in gescheiterten Staaten Polizeistrukturen mit internationaler Hilfe praktisch von Null aufgebaut werden müssen. Derzeit in Erarbeitung sind strategische Richtlinien für die VN-Polizeiarbeit. Bundeswehr-Oberstleutnant Dieter Lussem erläuterte am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo die Arbeit eines Force Generation Planning Officer im Department of Peacekeeping (DPKO). Aktuell beschäftigt ist er mit der Aufstellung der "Force Intervention Brigade" (FIB) der Mission de l'Organisation des Nations unies pour la stabilisation en République démocratique du Congo (MONUSCO), ein Novum in VN-Blauhelmeinsätzen. Robust mandatiert und ausgerüstet, soll sie das Vorgehen der kongolesischen Sicherheitskräfte gegen Rebellen und Friedensstörer isb. im Ostkongo unterstützen.
Am Morgen des 4. September folgte ein Besuch beim Dachverband World Federation of United Nations Associations (WFUNA). Hier wurden vor allem Aktivitäten zur Jugendarbeit und Nachwuchsgewinnung vorgestellt. In der US-Vertretung bei den VN fand ein Gespäch mit dem Referenten für Ost- und Südosteuropa sowie dem Sudan statt. Er erläuterte, wie sich die USA im Verbund mit den VN bei internationalen Konflikten wie Kosovo, Moldau/Transnistrien, Dafur und Sudan/Südsudan für friedliche Lösungen einsetzen. In der Diskussion wurden auch heiße Themen wie der geplante Vergeltungsschlag in Syrien oder die NSA-Spionageaffäre angesprochen.
Spannend war auch ein Besuch bei der noch jungen Delegation der Europäischen Union bei den VN, die dauernden Beobachterstatus hat. Ihre Aufgaben und Ziele im Rahmen der GASP waren zunächst im VN-Rahmen noch wenig bekannt und mußten offensiv beworben werden. Dabei sind die EU-Staaten zusammengenommen der größte Beitragszahler der VN. Die ständigen Mitglieder Frankreich und Großbritannien informieren die Vertretung über Vorgänge im Sicherheitsrat; bei gemeinsamen EU-Positionen sind sie verpflichtet, einen Repräsentanten der EU vor den Sicherheitsrat einzuladen. Eine wichtige Rolle spielt die Delegation bei der Harmonisierung der Positionen von EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen der VN. Auch kann sie gerade kleineren EU-Staaten bei ihrer Arbeit in New York wichtige Unterstützung leisten.
Der 5. September war ganz den VN gewidmet und fand im Hauptquartier am East River statt, das im Rahmen einer Führung besichtigt wurde. Vertreter des United Nations Development Program (UNDP) informierten an praktischen Beispielen über die seit 1965 laufende Arbeit der Weltentwicklungsorganisation in heute 177 Staaten. Vorgestellt wurden insbesondere die Fortschritte bei der Erreichung der Millenium Development Goals. Es folgte eine Diskussion mit einem Mitarbeiter des VN-Sekretariats, einem von sechs Organen der Weltorganisation. Erläutert wurden Struktur und Aufgaben des Sekretariats sowie die Rolle des VN-Generalsekretärs. Dabei wurden auch die unterschiedlichen Persönlickeiten in diesem Amt skizziert, deren Bandbreite vom zurückhaltend-diplomatischen bis hin zum aktivistisch-visionären Generalsekretär reicht. Unter Boutros Boutros-Ghali und Kofi Annan seien wichtige strategische und konzeptionelle Schritte eingeleitet worden, die wesentliche Fortschritte bei der Durchsetzung der Ziele der VN ermöglichten. Immer wieder fiel freilich der zentrale Satz: "The UN is a stage, not an actor", der den begrenzten Rahmen von VN-Diplomatie umriss.
Als Beispiel einer NRO wurde die von der Soros Foundation finanzierte Open Society Justice Inititative besucht. Weltweit werden Programme zur Reform von Justiz und Strafvollzug in Kooperation mit lokalen Partnern umgesetzt. Wie Martin Schönteich, Senior Legal Officer for National Criminal Justice Reform, erläuterte, ist es das Ziel der Initiative, Justizsysteme in offenen Gesellschaften zu stärken und die Durchsetzung der Menschenrechte zu fördern. So arbeiten zahlreiche Projekte an einer Refom der Untersuchungshaft - gerade in diesem Bereich komme es wegen unklarer Regeln, unzureichender Ausbildung von Polizisten und Vollzugsbeamten sowie mangelhafter Fähigkeiten und Kapazitäten häufig zu Menschenrechtsverletzungen. Reformen in diesem Bereich können die Rechte der Gefangenen stärken sowie Justiz und Strafvollzug wirkungsvoll entlasten.
Am 6. September wurde die Studienreise mit Besuchen von Amnesty International und Germany Trade und Invest abgeschlossen. Fünf Tage New York ergaben sicherlich kein vollständiges Bild, jedoch zeigten sie vielfältige Schwerpunkte von VN-Arbeit in zentralen Bereichen wie Frieden und Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechten auf.