Quo Vadis Sudan und Südsudan? Die Serie bewaffneter Konflikte reißt nicht ab.

Vortrag von Geograph Professor em. Dr. Fouad Ibrahim (Universität Bayreuth),

Peter Schumann (Dozent an der Universität Konstanz; ehem. politischer Direktor der UN-Mission im Sudan)

und Manal Seifeldin (Menschenrechtsaktivistin aus dem Sudan).

am 29. Oktober 2014 um 18.30 Uhr, Internationales Begegnungszentrum München e.V. (IBZ), Amalienstr. 38, 80799 München.

Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Landesverband Bayern e.V.

Die Euphorie über das Umfassende Friedensabkommen (2005) und die friedliche Unabhängigkeit des Südsudans (2011) ist Ernüchterung gewichen. Auf kleinerer Flamme dauern im Sudan die bewaffneten Konflikte in Darfur an und drohen, auf benachbarte Bundesstaaten überzugreifen. Die vereinbarten Regelungen in den grenznahmen Gebieten Abyei, Süd-Kordofan/Nubaberge und Blue Nile sind in weite Ferne gerückt, und ein blutiger Krieg dauert hier insbesondere in Süd-Kordofan/Nubaberge an.

Im neuen Staat Südsudan eskalierten im Dezember 2013 die Rivalitäten zwischen politischen Machthabern und Bevölkerungsgruppen zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Tausende Tote und Hunderttausende Flüchtlinge in Nachbarländern bzw. intern Vertriebene sind die Folge.

Ausgewiesene Fachleute berichteten über die aktuelle Lage, zeigten Zukunftsperspektiven auf und diskutieren die gegenwärtigen Probleme: der Geograph Professor em. Dr. Fouad Ibrahim (Universität Bayreuth), Peter Schumann (Dozent an der Universität Konstanz; ehem. politischer Direktor der UN-Mission im Sudan) und Manal Seifeldin (Menschenrechtsaktivistin aus dem Sudan).

V.l.n.r.: Die Referenten Prof. em. Dr. Fouad Ibrahim,  (Universität Bayreuth), Manal Seifeldin und Peter Schumann

Professor Ibrahim ließ keinen Zweifel daran, dass in Darfur ein „Genozid“ stattgefunden habe: 400.000 Menschen seien seit 2003 getötet worden, 2,7 Mio. Menschen seien im Land vertrieben worden, 340.000 zu Flüchtlingen außerhalb des Sudans geworden. In unvorstellbaren Dimensionen seien Verbrechen verübt sowie Land und Vieh gestohlen worden. Schuld sei die von Präsident Omar al-Bashir geführte sudanesische Regierung, nicht der Klimawandel, wie mitunter unterstellt. Alle angeblichen Konzessionen der Regierung an einzelne Rebellen- oder Oppositionsgruppen seien bedeutungslos – ihr Ziel sei es lediglich, Zeit zu gewinnen. Eine Lösung könne möglicherweise die sich anbahnende Allianz zwischen Darfur-Rebellengruppen, der in Blue Nilde/Nubaberge und Blue Nile im Widerstand engagierten SPLM-North sowie Oppositionsparteien im Sudan bringen.

Die sudanesische Menschenrechtsaktivistin Manal Seifeldin beklagte die Isolation der Flüchtlinge in Darfur, den Antiafrikanismus der Regierung und die fast täglichen Angriffe – dies gleichzeitig zu den laufenden Friedensgesprächen. Der Darfur-Friedensprozess sei steckengeblieben, und die von der sudanesischen Regierung kooptierten früheren Rebellenfraktionen seien nicht repräsentativ.

Realitätsnahe Eindrücke einer jüngsten Reise in den Südsudan konnte Peter Schumann bieten. Ein wesentlichen Faktor auf dem Weg in die Krise war seiner Einschätzung nach die zunehmenden autokratischen Tendenzen von Staatspräsident Salva Kiir, die 2013 durch die Aufstellung einer besonderen Präsidentengarde untermauert worden seien. Tiefere Ursachen würden aber auch in der tiefen Traumatisierung der Gesellschaft und der nach Jahrzehnten Bürgerkrieg verbreiteten Kriegskultur liegen. Leider habe es seit 2005 keine nachhaltigen Versöhnungsbemühungen gegeben. Die UN stehe im Sudan vor unermesslichen Problemen – allein in deren Lagern hätten 100.000 Südsudanesen Schutz gesucht.  Schumanns Fazit blieb pessimistisch: Trotz aller Waffenstillstände und Friedensabkommen würden die Kämpfe wohl weitergehen, gerade in den ölreichen Regionen. Europa müsse sich in den kommenden zwölf bis 18 Monaten auf Millionen von Flüchtlingen aus dem Südsudan einstellen.