Die Studienreise 2014 des Landesverbandes Bayern der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) führte in Kooperation mit den DGVN-Landesverbänden Nordrhein-Westfalen und Sachsen vom 30.09.-03.10.2014 nach Wien. Neben New York, Genf und Nairobi ist die österreichische Hauptstadt einer der vier Amtssitze der Vereinten Nationen. Über 4.000 Beschäftigte aus mehr als 100 Ländern arbeiten hier bei den internationalen Organisationen.
Die Teilnehmer der DGVN-Reisegruppe zusammen mit Vertretern der ÖGAVN und internationalen Studierenden in der UN City.
Am 30. September erhielten die 21 Teilnehmer an der traditionsreichen Österreichischen Landesverteidigungsakademie (LVAk) in der Stiftskaserne ein Briefing von Mag. Sandra Kick über Gliederung und Organisation der LVAk, Grundzüge der Ausbildung, Forschungsthemen und internationale Aktivitäten. Brigadier Mag. Friedrich Schrötter, Leiter der Abteilung Einsatzführung im Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport, informierte über österreichisches Peacekeeping für die Vereinten Nationen und über die aktuellen Einsätze. Besonders interessant waren Hintergrundberichte, z.B. über die besorgniserregende Lageentwicklung am Golan, die 2013 zum Abzug des österreichischen Kontingents führte.
Beim Sitz der Organisation Ölexportierender Staaten (OPEC) referierte Zaha Hind über Struktur, Ziele und Arbeit des Zusammenschlusses. Ziel sei es, die Stabilität des internationalen Ölmarkts zu gewährleisten, indem man einen Ausgleich zwischen Nachfrage und Bedarf herstelle. Hingegen sei es nicht das Ziel der OPEC, den Ölpreis zu manipulieren, wie häufig unterstellt.
Botschafter Konrad Max Scharinger von der Deutschen Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen in Wien stellte sich am Morgens des 1. Oktober für ein Hintergrundgespräch zur Verfügung. Die Vertretung widmet sich mit Schwerpunkt der Tätigkeit wichtiger internationaler Organisationen in Wien, wie IAEA, UNODC und OPEC. Scharlinger konnte die Teilnehmer über aktuelle Entwicklungen und Trends aus erster Hand informieren.
Am Nachmittag war die Reisegruppe Gast beim „Internationalen Club“ der Schwesterorganisation Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN). Moderiert vom früheren Bundeskanzler und ÖGAVN-Präsidenten Dr. Wolfgang Schüssel, trug der bekannte Zukunftsforscher Matthias Horx in der Hofburg-Stallburg vor. Er überraschte die rund 130 Teilnehmer, indem er an zahlreichen Beispielen vorführte, wie die öffentliche Meinung grundlegende Sachverhalte falsch einschätzt. Horx richtete einen optimistischen Blick in die Zukunft – für apokalyptische Vorstellungen gebe es keine reale Basis. Leider seien Politiker von der öffentlichen Meinung abhängig und würden dadurch häufig von richtigen Zukunftsentscheidungen abgehalten.
V.l.n.r.: Zukunftsforscher Matthias Horx und Bundeskanzler a.D. Dr. Wolfgang Schüssel beim „Internationalen Club“ der Schwesterorganisation Österreichische Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen (ÖGAVN).
Es schlossen sich eine Führung durch die „UN City“ und zwei Vorträge von Vertretern der United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) und der International Atomic Energy Agency (IAEA) an. Auf Initiative von Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky war Wien in den 1970er Jahren VN-Stadt geworden. Für die hier ansässigen VN-Vertreter und internationalen Organisationen wurde in „Transdanubien“ ein eigenes Stadtviertel errichtet. David Dudge berichtete über die Tätigkeit der UNODC, deren Schwerpunkt auf der Koordinierung von Programmen und Aktivitäten liege. Besonderes Interesse fanden Ausführungen über aktuelle Entwicklungen beim organisierten Drogenschmuggel. Peter Rickwood informierte über die nicht weniger als 2.500 Mitarbeiter zählende IAEA. Dabei betonte er, dass man nicht nur die Einhaltung des Nichtverbreitungsvertrags von Atomwaffen garantiere, sondern auch die friedliche Nutzung der Kernenergie durch Forschungs- und Wissenschaftsprogramme unterstütze. In der Diskussion nahm das aktuelle Thema Iran breiten Raum ein. Die Schüler und Studierenden der Reisegruppe hatten am Abend Gelegenheit, an der Semestereröffnungsparty der ÖGAVN teilzunehmen.
In der Hofburg berichteten am 2. Oktober Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) über die Aufgaben und Ziele der Organisation, dabei auch über die Zusammenarbeit der OSZE mit den VN. Die aus 57 Mitgliedsstaaten bestehende Staatenkonferenz ist eine regionale Abmachung gemäß nach Kap. VIII der VN-Charta. Ihre drei Arbeitsgebiete sind Politik-Militär, Wirtschaft und Umwelt sowie Menschenrechte. Die Referenten betonten die Bedeutung dieser Organisation als gemeinsames Forum für die westeuropäischen Staaten und die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, was z.B. die Ukraine-Krise gezeigt habe. An die Diskussion schloss sich eine Besichtigung des Großen Sitzungssaals an.
Am Nachmittag gab es Gelegenheit zu einer Führung durch das prächtige, von 1874-83 im neoklassizistischen Stil errichtete österreichische Parlament. In starkem Kontrast standen der nur noch selten benutzte, prächtige alte Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses und der schmucklose heutige Sitzungssaal des Nationalrates aus dem Jahr 1956. Es ergab sich auch die Gelegenheit zu einem Meinungsaustausch mit der stellv. Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger der neu gegründeten liberalen Partei NEOS.
Am Abend sprach auf Einladung der DGVN Bayern und des Nahostforums Österreich der Botschafter Palästinas Salah Abdel Shafi über die aktuellen Entwicklungen im israelisch-palästinensischen Friedensprozess. Seine zentrale These war, dass es in dem Konflikt vornehmlich um die Kontrolle von Land gehe – deshalb auch die massive Expansion von israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. Leider hätten die internationalen Mächte bei der Umsetzung des Oslo-Abkommens zu wenig Wert auf ein Ergebnis gelegt, sondern den Prozess (Fortführung von Verhandlungen) fokussiert. Vorrangiges Ziel der Palästinenser sei es daher, jetzt möglichst bald ein Endergebnis zu definieren.
S.E. Botschafter Salah Abdel Shafi sprach über die aktuellen Entwicklungen im israelisch-palästinensischen Friedensprozess.
Am 3. Oktober empfing der österreichische Botschafter a.D. und Direktor der Diplomatischen Akademie Wien Dr. Hans Winkler die Gruppe. Er schilderte die lange Tradition dieser Einrichtung (260 Jahre Orientalische Akademie, 50 Jahre Diplomatische Akademie) und erläuterte die verschiedenen Studienrichtungen. Künftige Diplomaten stellen nur 15-20% der 185 Studierenden dar. Ein Drittel davon sind Ausländer. Bekannte Absolventen sind z.B. der frühere VN-Generalsekretär und ÖGAVN-Präsident Dr. Kurt Waldheim und Shigeo Katsu, Vizepräsident der Weltbank für Europa und Zentralasien. Die im Theresianum, einem Schloss von Maria Theresia, untergebrachte Akademie bietet für einen Teil der Studierenden auch Wohnraum. Diplomatenfortbildung wird seit 1990 für Vertreter aus Osteuropa bzw. aus Entwicklungsländern betrieben.
100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs stand danach eine Führung durch die Ausstellung des Heeresgeschichtlichen Museums zu diesem Thema auf dem Programm. Zwischen Uniformen, Plakaten, Unterständen, Geschützen und dem Originalfahrzeug des am 28. Juni 1914 in Sarajewo ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand informierte Oberst a.D. Krammer kenntnisreich über alle Aspekte der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“.
In einer Abschlussdiskussion fassten die Teilnehmer der vom stellvertretenden bayerischen DGVN-Vorsitzenden Dr. M. Pabst organisierte Studienreise die grundlegende Erkenntnisse der Vorträge und Diskussionen zusammen. Sein Dank galt der Schwestergesellschaft ÖGAVN für ihre Unterstützung bei der Organisation des Programms.